Drittstaaten-Angehörige mit Schweizer Abschluss: Nationalrat will Rekrutierung erleichtern

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21.04.2023
Symbolbild_Rekrutierung

Noch 2024 könnte die Rekrutierung von Drittstaatenangehörigen mit Schweizer Hochschulabschluss massiv einfacher werden. Der Nationalrat hat einer entsprechenden Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes zugestimmt. Unser Beitrag beschreibt, wie es nun weitergeht und stellt die Änderungen vor, die für Startups in der Praxis relevant sind.

Mit dem Schweizer Hochschuldiplom in der Tasche stehen einem hierzulande in den meisten Branchen die Türen zur Arbeitswelt weit offen. Ausser, man stammt aus einem Land, welches nicht zum EU/EFTA-Raum gehört, einem sogenannten Drittstaat. Ist dies der Fall, müssen auf dem Weg zu einer Anstellung in der Schweiz verschiedene Hürden genommen werden. Die erste zeigt sich in Form von Kontingenten. Der Bundesrat bewilligt jährlich, wie viele Personen aus einem Drittstaat rekrutiert werden können. In den letzten drei Jahren lag diese Zahl unverändert bei 8500. 4500 davon sind für eine Aufenthaltsbewilligung B vorgesehen, 4000 für eine Kurzaufenthaltsbewilligung L.

Eine weitere Hürde stellt der Nachweis eines «hohen wirtschaftlichen Interessens» dar. Dabei muss das Unternehmen etwa umfassend nachweisen, dass ein Fachkräftemangel besteht, die Person aus dem Drittstaat mit dem Schweizer Abschluss über die nötigen und passenden Qualifikationen für den hochspezialisierten Job verfügt. Kann dieses Interesse belegt werden, fällt zumindest der Inländervorrang weg.

In der Vergangenheit wurden in Bezug auf die Anstellung von Personen aus Drittstaaten generell bereits erste Verbesserungen umgesetzt. So werden Mitarbeiterbeteiligung an Unternehmen, wie sie gerade bei Startups vermehrt vorkommen, unter bestimmten Voraussetzungen an den Lohn angerechnet. Alles in allem gestaltet sich die Gesuchstellung für eine Arbeitsbewilligung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Drittstaaten weiterhin aufwändig.

Dies ist insbesondere für Startups eine sehr grosse Hürde im Rennen um gut ausgebildete Fachkräfte. Mit der Überweisung der Motion Dobler (17.3067) an den Bundesrat hat das Parlament 2019 gefordert, diese Schwierigkeit anzugehen und den Zugang zum Arbeitsmarkt für Drittstaaten-Absolventinnen und -Absolventen Schweizerischer Hochschulen zu vereinfachen. Der Bundesrat hat in seinem Vorschlag zur Gesetzesänderung (22.067) eine Ausnahme von den Kontingent-Höchstzahlen für Drittstaaten-Angehörige mit Abschluss an einer Schweizerischen Hochschule vorgesehen.

Die Vorlage wurde von der vorberatenden Staatspolitischen Kommission (SPK-NR) des Nationalrates modifiziert. Aus Sicht von Startups stellt insbesondere eine Anpassung eine echte Erleichterung dar: Die SPK-NR hat die Nachweispflicht bezüglich dem «hohen wirtschaftlichen Interesse» aus dem Gesetzesentwurf gestrichen. Personen mit einem Schweizer Diplom der Stufe Tertiär A (Fachhochschulen und Universitäre Hochschulen), welche einen Beruf ergreifen, der mit ihrem Studium in Verbindung steht, sollen so einfacher eine Arbeitsbewilligung erhalten. Andri Silberschmidt, Nationalrat und Mitglied der Parlamentarischen Gruppe Startups & Unternehmertum, hat diese Änderung eingebracht: «Sie reduziert den Aufwand für die Einreichung einer Bewilligung massiv und baut viele unnötige Hürden ab».
Zudem hat die Kommission die Ausnahme von den Kontingenten auf alle Personen mit einem Schweizer Abschluss auf Tertiärstufe A beschlossen. Nebst den Hochschulen würde demnach auch die höhere Berufsbildung darunterfallen.

Nun wird sich der Ständerat als Zweitrat mit dem Geschäft befassen. Silberschmidt wagt keine Prognose hinsichtlich des Ausgangs der Debatte, doch: «Ich erhoffe mir natürlich, dass beide Änderungen so vom Ständerat gutgeheissen werden und den Weg zu einfacheren und schnelleren Bewilligungsverfahren ebnen». Die Ausnahme von den Kontingenten allein sei zwar gut, doch wenn das «hohe wirtschaftliche Interesse» weiterhin von den Unternehmen nachgewiesen werden müsse, sei dies am Schluss doch keine grosse Verbesserung. Wenn das Geschäft bereits in dieser Sommersession behandelt wird, sei ein Inkrafttreten des Gesetzes bereits auf Anfang 2024 realistisch, so Silberschmidt.

Der Entscheid im Ständerat steht noch aus. Bei der Debatte im Nationalrat hat sich indes gezeigt, dass sich einzig die SVP-Fraktion grundsätzlich gegen die Anpassungen ausgesprochen hat. Sie argumentierte dabei mit der Verpflichtung, die Zuwanderung zu begrenzen. Bei der Streichung der Anforderung des «hohen wirtschaftlichen Interessens» war die Opposition etwas grösser: Knapp zwei Dutzend Gegenstimmen gab es aus der Mitte-Partei. In der Schlussabstimmung gab es mit 135 zu 51 Stimmen bei drei Enthaltungen dann trotzdem einen klaren Entscheid zugunsten der von der SPK-NR modifizierten Gesetzesvorlage.

Update (26.4.23):
Die Staatspolitische Kommission des Ständerates hat sich inzwischen mit der Vorlage befasst. Eine Mehrheit der Kommission (8 zu 3 Stimmen) empfiehlt ihrem Rat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Nun wird sich bei der Behandlung im Ständerat zeigen, ob er als Zweitrat dem Vorschlag seiner Kommission folgt oder auf die Vorlage eintritt. Bei ersterem Szenario „Nichteintreten“ wäre das Geschäft bereits erledigt und es käme nicht zu einer Gesetzesänderung.  

Unabhängig davon hat der Bund Anfang April den Abbau weiterer Hürden im Bewilligungsverfahren sämtlicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Drittstaaten kommuniziert: So bekommen kantonale Arbeitsmarkt- und Migrationsbehörden etwa mehr Kompetenzen. Sie können seit Februar den Inländervorrang und die Ansprüche an die berufliche Qualifikation grosszügiger auslegen, wenn es sich um Bewilligungen für Arbeitskräfte aus Branchen mit grossem Fachkräftemangel handelt.

(Fabienne Roos)

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