Beobachter - Das Schweizer Erfolgsmodell

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23.07.2010
Niemand ist so erfinderisch wie wir. Junge Hightechunternehmen erobern neue Märkte und machen unser Land erfolgreich. Kein Grund, sich auszuruhen.

Einen Punkt hatte man der Delegation von Staatssekretär Heinrich Ursprung besonders eingeschärft: Visitenkarten übergibt man in Japan immer mit beiden Händen und macht eine leichte Verbeugung. Dieses Zeremoniell müsse unbedingt eingehalten werden. «Am Flughafen witzelten wir über die für uns unverständlichen Zeichen auf unseren speziell in Japanisch gedruckten Karten», erinnert sich das Delegationsmitglied Xavier Comtesse.

Europa schaute nach Japan, damals in den frühen neunziger Jahren. Trotz vergleichbaren Strukturen wuchs die asiatische Wirtschaft viel schneller als ihre europäischen Konkurrenten. Was machte das Land der aufgehenden Sonne besser?

Die Schweizer Fact-Finding-Mission im September 1993 dauerte rund zwei Wochen. Ursprungs Team sprach mit Nobelpreisträgern und besuchte Universitäten. Im Flugzeug von Tokio zurück nach Kloten war die Stimmung euphorisch. «Wir waren erfüllt vom Gedanken: ‹Was die Japaner können, das schaffen wir auch›», so Comtesse.

Hand in Hand mit der Wirtschaft

Was die Delegation so beeindruckt hatte: 60 Kilometer nördlich von Tokio, in Tsukuba, hatten die Japaner eine Stadt der Wissenschaft gebaut. Zwei Universitäten, dazu über 50 staatliche und private Forschungsinstitute sowie eine Vielzahl von Hightechunternehmen. Der Plan folgte dabei nur einer Logik: Wissenschaft und Wirtschaft müssen Hand in Hand arbeiten.

17 Jahre später, im Technopark in Zürich. Im boomenden Stadtteil von Zürich-West bietet der schmucklose Industriebau tatendurstigen Hochschulabsolventen einen Hort für ihre Unternehmerträume. Wer es hier hineinschafft, hat gute Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft. Davon zeugen allein schon die Neuigkeiten der letzten zwei Monate: «Pearltec und Nanotion gewinnen Preise der De-Vigier-Stiftung», «LiberoVision ist Finalist des Swiss Economic Award», «Blueshift Pharma gewinnt mit intelligenten UV-Filtern den Venture 2010» (vergleiche Porträts, ab Seite 30). Die Firmen vom Technopark sammeln reihenweise Preise ein.

«Wir prüfen jede Firma auf ihr Potential. Und wenn die Betreiber einen Mietvertrag erhalten, kommt sie in ein umfangreiches Coachingprogramm», sagt Henning Grossmann, Chef der Stiftung Technopark. Er und der Leiter von Technopark Immobilien, Heinz Specker, sind die ersten Ansprechpersonen für die Jungunternehmer. Sie bieten praktische Hilfe, zeigen, wie man Ideen rechtlich schützen muss, damit diese nicht von der Konkurrenz geklaut werden. Und wenn einen Jung-Entrepreneur die Existenzangst packt, erhält er Zuspruch und Trost. Ein Beratungsausschuss, zusammengesetzt mehrheitlich aus erfolgreichen Geschäftsführern, beurteilt und hilft fortlaufend bei der Verbesserung des Businessplans. Die Bilanz des Technoparks kann sich sehen lassen. Seit der Eröffnung 1993 sind hier mehr als 1800 hochqualifizierte Arbeitsplätze entstanden. Nicht schlecht für ein Projekt, das ohne Subventionen auskommt und von den privaten Unternehmen Swiss Life, Axa Winterthur und der ZKB getragen wird.

In den letzten Jahren hat sich in der Schweiz eine eigentliche Gründerszene etabliert. Brutstätten dieser Szene sind die Technologie- und Start-up-Zentren. Dem Technopark sind in der ganzen Schweiz mittlerweile über 30 Zentren oder Parks gefolgt. Das Konzept ist meist dasselbe: Eine offene und günstige Infrastruktur, je nach Bedarf verfügbare Beratungs- und Bürodienstleistungen sowie eine Mischung aus etablierten Betrieben und Start-ups beflügeln das Unternehmertum.

An den meisten Hochschulen wurden Technologietransferstellen eingerichtet. Sie heissen Polygon wie an der Universität Freiburg oder Unitectra wie in Bern und fördern die Zusammenarbeit mit der Industrie, helfen, den kommerziellen Nutzen von Erfindungen abzuschätzen, und unterstützen deren Schöpfer bei der Anmeldung von Patenten und bei der Vergabe von Lizenzen.

«Das unternehmerische Bewusstsein hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Wir treffen sehr viele junge Leute mit ‹feu sacré›, die ihre Ideen umsetzen wollen. Das ist toll», sagt Urs Althaus, seit zehn Jahren Head Coach bei der KTI, der Förderagentur für Innovation des Bundes. Diese hat sich zu einem starken Motor für den Innovationsstandort Schweiz entwickelt. «Science to market», von der Erfindung zum Produkt, lautet die Formel, die aus technikorientierten Studenten smarte Unternehmer machen soll. 100 Millionen stehen ihr dafür zur Verfügung. Pro Jahr werden 90 bis 100 Jungfirmen in ein KTI-Coaching aufgenommen. «Hauptsächlich geht es darum, Vertrauen zu vermitteln», sagt Althaus. «Unsere Botschaft lautet: ‹Ihr könnt das, wir helfen euch dabei.›»<

«Die Zeit der einsamen Tüftler ist vorbei»

Die Hilfe kommt an. «Wir haben den gesamten Coachingprozess der KTI durchlaufen. Die Betreuung war entscheidend für den Erfolg unserer Firma», sagt Stefan J. Meier, Mitgründer des Zürcher Spezialbeton- Start-ups Concretum (siehe Seite 33). Jean-Pierre Vuilleumier, Direktor der De-Vigier-Stiftung, sagt, dass immer öfter junge Unternehmer den direkten Weg zum Markt suchen. «Die Zeit der einsamen Tüftler ohne Geschäftssinn ist vorbei.»

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