„Wir wollen das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Digitalisierung wecken“

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Stefan Kyora

14.05.2018
Marc Walder

Marc Walder, Ringier CEO und Gründer der Standortinitiative digitalswitzerland ist überzeugt, dass sich die Schweizer Gesellschaft aufgrund der Digitalisierung ändern muss. Wir haben mit ihm über Schweizer Stärken, das Vorbild Silicon Valley und Sommercamps für Kinder gesprochen.

Herr Walder, digitalswitzerland versteht sich als Standortinitiative. Was sind die Erfolgskriterien für eine solche Initiative?

Eine berechtigte Frage. Es sind eine ganze Reihe. Dazu gehören die Zahl Schweizer Startups und die Summe an Venture Capital, die sie generieren können. Hinzukommen politische Rahmenbedingungen, welche die Digitalisierung unterstützen. Ein weiteres Kriterium ist der Digitalisierungsgrad von Unternehmen, den wir hier bei Ringier etwa durch den Anteil des digitalen Bereichs am EBITA messen. Dann die Stimmung in der Bevölkerung. In den skandinavischen Ländern steht man ja der Digitalisierung viel offener gegenüber als hierzulande. Und nicht zuletzt auch die Zahl der Mitglieder unserer Initiative. Mittlerweile gehören über 110 Unternehmen, Hochschulen, Kantone, Spitäler und andere Organisationen zu digitalswitzerland.

Diese Ziele sind ambitiös. Was kann eine Organisation wie digitalswitzerland tun, um sie zu erreichen?

Uns ist bewusst, dass wir ein grosses Rad drehen. Unsere Aufgabe sehe ich darin, sense of urgency“ zu kreieren, das heisst das Bewusstsein für die die Dringlichkeit des Themas Digitalisierung wecken. Dies mit unseren Projekten von den digitalswitzerland Challenges über die Startup Bootcamps bis zu nextgeneration und im Dialog mit der Bevölkerung.

Ist Schweizerinnen und Schweizern diese Dringlichkeit nicht bewusst?

Sehen Sie, ich war vor kurzem wieder im Silicon Valley. Und was mich dort beeindruckt hat, ist, dass alles digitalisiert ist. Wenn Sie Tesla besuchen, sehen Sie zum Beispiel hunderte von Software-Ingenieuren, obwohl es sich um einen Autobauer handelt. Und auch ausserhalb der Unternehmen, wenn Sie etwa in Palo Alto im Café sind, wird ständig über neue digitale Geschäftsmodelle geredet. Davon sind wir weit entfernt.

Wie können Schweizer Städte sich Palo Alto annähern?

Wir müssen nicht Palo Alto kopieren, das wäre auch falsch. Wir müssen die Stärken der Schweiz ausspielen. Die Schweiz liegt zentral, die Lebensqualität ist hoch, das rechtliche Umfeld ist verlässlich, die Hochschulen gehören zu den besten der Welt und die Schweiz ist attraktiv für Expats. Es sind diese Gründe, die Google dazu bewegten den Sitz in Zürich auf bis zu 5000 Mitarbeiter auszubauen.

Aber wenn die Rahmenbedingungen so gut sind, warum gibt es nicht mehr Schweizer IT Firmen mit 5000 Mitarbeitern?

Ein Grund ist sicher, dass es für europäische Firmen schwerer ist zu skalieren, schon allein wegen der verschiedenen Sprachen. US-Startups haben dagegen einen grossen, einheitlichen Heimmarkt. Und dann fehlt in Westeuropa vielfach auch die Affinität zum Computational thinking.

Deswegen veranstaltet digitalswitzerland Summer Camps für Kinder.

Genau. In der Schule lernen die Kids heute noch genauso wie vor 25 Jahren. Aber wir werden die Gesellschaft nicht ändern, wenn wir erst bei Neunzehnjährigen starten. Die Sommerkurse sollen Kinder an Computer heranführen. Eltern sind oft etwas skeptisch, weil sie meinen, in den Kursen würden die Kinder noch mehr am Smartphone hängen. Aber darum geht es gar nicht. Die Kinder können zum Beispiel kleine Roboter bauen und programmieren. Nach den Kursen hat sich ihre Einstellung zu Computern komplett geändert.

Mit dem Digitaltag versucht digitalswitzerland die Einstellung der gesamten Bevölkerung zu ändern. Bei der letzten Ausgabe wurden über 200‘000 Personen erreicht. War dies der grösste Erfolg der Initiative?

Ja, für mich war der erste Digitaltag der grösste Erfolg bisher. Wir haben drei Bundesräte dabei gehabt und konnten in der ganzen Schweiz spannende Projekte und Themen zeigen. Am Abend haben in den Familien Eltern und Kinder über 3D, Printer über Drohnen und andere Digitalisierungsthemen diskutiert. Der Erfolg zeigt sich auch darin, dass für den nächsten Digitaltag, der am 25. Oktober stattfinden wird, schon die Hälfte unserer Mitglieder Unterstützung zugesagt hat.

Apropos Mitglieder: Ihre Zahl wächst nahezu täglich. Was suchen diese Unternehmen und Organisationen bei digitalswitzerland?

Grundsätzlich haben alle unsere Mitglieder die Dringlichkeit des Themas Digitalisierung erkannt und wollen gemeinsam einen Unterschied machen. Digitalswitzerland hat ihnen auch einiges zu bieten, zum Beispiel ein Netzwerk, Zugang zu Startups über die Market Entry und Market Boot Camps und über den von uns angestossenen Kickstart Accelerator. Aber wegen der Gegenleistungen allein wird sich kein Unternehmen zur Mitgliedschaft entscheiden. Unsere Mitglieder wollen gemeinsam einen Unterschied machen. Ohne diesen Solidaritäts-Gedanken geht es nicht.

1Comments

Irfan Ali Khan @ 14.05.2018 16:46

I agree, ch should not blanket copy Palo Alto. In many more ways Europe is more forward thinking than Silicon Valley. The Swiss focus on quality has also impacted the Swiss startups I have seen at swissnex SF. CH is supremely promising as an innovation hub, digital and otherwise. To create the large companies talked about, by addressing language concerns, would be incredible for Europe at large. Perhaps machine learning advancements could render the language barrier moot? A pain point is typically a good startup indicator, as they say. As a Swiss returning to Switzerland next month, after ten years in Silicon Valley, I'm excited to relearn the languages, but also equally curious about how deep learning could provide a solution to the language barriers at large. In so many ways, Switzerland is the most exciting innovation hub for the world at large!

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