«Startup Investments sind Mainstream geworden»

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Stefan Kyora

27.06.2018
Steffen Wagner

Von 2015 auf 2017 hat sich das über investiere in Startups geflossene Geld verfünffacht. Wir haben mit CEO Steffen Wagner über neue Typen von Business Angels, Corporate Venturing und den Sinn und Unsinn der Unicorn-Jagd gesprochen.

Herr Wagner, das Zürcher Büro von investiere, in dem wir uns hier befinden, ähnelt eher dem Hauptsitz eines Startups als Räumen eines Finanzdienstleisters. Die Mitarbeiter tragen T-Shirts und der Platz ist beschränkt.

Steffen Wagner: Das stimmt. Wir pflegen durchaus einen gewissen Startup-Spirit. Der beschränkte Platz ist allerdings ein Ergebnis des Teamwachstums. Wir denken bereits über einen Umzug nach.

Wie viel Mitarbeiter beschäftigt investiere zurzeit?

Hier in Zürich 16 Personen. Dazu kommen 5 in Zug und Genf.

Bei investiere ist nicht nur das Team gewachsen, sondern vor allem auch die Investments. Wie hoch ist die Wachstumsrate?

100 Prozent vorletztes Jahr, 150 Prozent im vergangenen Jahr. Wir konnten die investierten Gelder von 3.4 Millionen Franken im Jahr 2015 auf 6.8 Millionen in 2016 steigern. 2017 flossen dann schon 17.4 Millionen über investiere in Schweizer Startups.

Wie gross ist die Community mittlerweile?

Wir haben rund 3000 akkreditierte Investoren, davon sind etwa 400 aktive Investoren. Die Wachstumsraten sind auch hier hoch. Startup Investments sind Mainstream geworden.

In der Schweiz gab es bisher wenig grosse Exits. Ich nehme an, in der Community befinden sich deswegen nur wenige Personen, die selbst über unternehmerische Erfahrung verfügen?

Nein, das stimmt so nicht mehr. Wir haben eine dreistellige Anzahl von Personen, die selbst in Startups aktiv waren, zum Beispiel die Gründer von Doodle, u-blox oder jobs.ch. Hinzu kommen natürlich auch Angels mit Corporate Hintergrund: Viele von ihnen sind auf Ebene Geschäftsleitung oder in Verwaltungsräten aktiv. Daneben gibt es dann auch noch ältere Leute mit Corporate Vergangenheit, die nicht mehr im Berufsleben stehen. Diese sind allerdings klar in der Minderheit. Interessant finde ich auch, dass es mittlerweile ein reges Interesse aus dem Hochschulen- und ETH-Umfeld gibt. Für uns sind solche hochqualifizierten Fachleute sehr hilfreich. Wir ziehen sie auch bei der Due Diligence hinzu.

Viele Corporates investieren heute ebenfalls. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Meiner Meinung nach sind es nicht viele, sondern nahezu alle Corporates, die heute Venturing-Aktivitäten angehen. Die Frage ist oft nicht mehr, ob ein Grossunternehmen investieren will, sondern wo es im Aufbau der Venture-Aktivitäten steht. Wir selbst arbeiten seit diesem Jahr mit einem dieser Corporates zusammen, der Post. Zwei weitere Partnerschaften werden wohl noch dieses Jahr folgen.

Ausserdem herscht grosses Interesse bei institutionellen Anlegern wie Family Offices und Pensionskassen. Allerdings befinden sich die meisten PKs immer noch am Anfang dieser Überlegungen. Bisher ist die Sammelstiftung Nest die erste Schweizer Pensionskasse die systematisch ein Venture Portfolio aufbaut — mit der Unterstützung von investiere.

Schon seit zwei Jahren besteht zudem eine strategische Partnerschaft mit der Zürcher Kantonalbank, die sich auch an investiere beteiligt hat. Wie funktioniert diese Partnerschaft im Alltag?

Wir arbeiten eng zusammen, fällen unsere Investmententscheide aber unabhängig voneinander. Wir helfen darüber hinaus beim Dealflow für die ZKB ausserhalb der Region Zürich. Die Zusammenarbeit wird übrigens auch im Rahmen des neuen 100 Millionen Wachstumsfonds ausgedehnt werden, den die ZKB-Tochter Swisscanto gerade aufbaut.

Neben der ZKB haben auch verschiedene Corporates bereits zweistellige Millionenbeträge für Venture-Fonds zur Verfügung gestellt. Die Schwierigkeit für Startups Wachstumskapital zu finden, sollte dadurch kleiner werden. Aber gibt es genügend Schweizer Jungunternehmen mit entsprechenden Ambitionen und grossem, internationalen Wachstumspotenzial?

Es gibt sicher mehr und bessere Startups in der Schweiz und ich sehe auch eine zunehmende Reife. Einige Schweizer Unternehmen haben darüber hinaus auch heute schon grosses Potenzial. Abionic etwa zieht einen Börsengang in Betracht und das Beekeeper-Team will mit seiner Mitarbeiter-App globaler Marktführer werden. Insgesamt müssen Schweizer Startup-Gründer aber sicher noch mutiger werden.

Dies bedeutet aber auch ein höheres Ausfallrisiko.

Absolut. Aber dies wäre auch gut. Selbst in unserem Portfolio haben wir leider nur eine Ausfallrate von weniger als zehn Prozent. Besser wäre es, Startups ohne grosse Perspektiven zu stoppen, so dass die klugen Köpfe aus diesen Firmen wirkungsvoller in anderen Unternehmen eingesetzt werden können.

Dies rechnet sich nur, wenn der Return bei den übrig gebliebenen Startups hoch genug ist und Multiples von 50 oder 100, wie es sie im Silicon Valley gibt, dürften in der Schweiz kaum zu erreichen sein.

Das stimmt. In der Schweiz macht Unicorn Hunting keinen Sinn. Aber auch mit Multiples von 5- 10 können Investoren ein sehr schön rentierendes Portfolio aufbauen, auch wenn es mehr Ausfälle gibt. Das kann man in einem einfachen Excel leicht nachvollziehen.

Apropos Multiples. Was war der beste Exit für investiere bisher?

Der Verkauf von Qumram an Dynatrace letztes Jahr. Da wir aber erst 2010 gestartet sind und wir die meisten Startups in den letzten drei Jahren in unser Portfolio aufgenommen haben, ist die Zahl der Exits noch begrenzt.

Letzte Frage: Wenn mehr Investoren in den Markt drängen, werden die Deals umkämpfter. Wie gehen Sie damit um?

Ob Deals umkämpft sind, hängt von der Branche ab. Bei Medtech- und Biotech-Firmen ist das Interesse seit Jahren ungefähr gleich. Nur bei Hype-Themen wie zum Beispiel Blockchain, AI oder Drohnen sieht man zum Teil sehr grosses Interesse und sehr hohe Bewertungen. Wir verlieren allerdings kaum Deals. Dies weil wir handfest nachweisen können, dass wir nicht nur Geld bringen, sondern zum Beispiel auch Kunden, strategische Ko-Investoren und renommierte Verwaltungsräte.

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