Schweizer Start-up erleichtert kontinuierliche Blutdruckmessung

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13.06.2013

Mehr als eine Milliarde Menschen müssten täglich ihren Blutdruck messen, um mögliche Folgen ihrer Hypertonie zu vermeiden. Doch bisher ist die Messung mühsam. Das Jungunternehmen STBL Medical Research hat nun ein Armband entwickelt, dass die kontinuierliche Messung einfach und angenehm macht. Derzeit laufen klinische Tests.

Blutdruckmessungen und -überwachungen sind für Patienten eine mühselige Angelegenheit. Eine Manschette, die über mehrere Stunden alle 15 Minuten aktiv wird und den Oberarm komprimiert, ein störendes Messgerät am Körper, allenfalls sogar eine invasive Überwachung, bei der ein Katheter in die Arterie eingeführt wird, sind die Regel. Kein Wunder vermeiden die Betroffenen diese Prozedur, falls irgendwie möglich.

Ein neuer Sensor, kaum grösser als eine Armbanduhr, soll bald eine angenehmere Methode der Blutdruckmessung bieten. Die Firma STBL Medical Research AG (STBL) entwickelte ein Gerät, das bequem am Handgelenk getragen werden kann und den Blutdruck kontinuierlich aufzeichnet – ganz ohne Druckmanschette oder blutigen Eingriff. Gemessen wird, indem an der Hautoberfläche in Handgelenksnähe mit mehreren Sensoren gleichzeitig Anpressdruck, Puls und Blutdurchfluss gemessen wird. Michael Tschudin, Mitgründer von STBL, sieht grosses Potenzial: «Das Messgerät kann für medizinische Zwecke eingesetzt werden, etwa zur Vorsorge bei Risikopatienten oder zur Behandlung von Bluthochdruck, aber auch als Blutdruck- und Pulsmesser für Freizeitaktivitäten, Sport sowie zur Formstandüberwachung im Spitzensport.»

Die Ingenieure hatten mit der neuen Technologie vor allem ein Hindernis  zu meistern: Der Gerätedruck auf die Haut wechselt ständig, weshalb hoch sensible Korrekturmessungen notwendig werden. Für dieses Problem suchte die Abteilung Hochleistungskeramik der Empa im Rahmen eines KTI-Projektes eine passende Lösung. Ein Sensor aus piezo-resistiven Fasern im Armband misst den Anpressdruck des Gerätes auf der Haut. Verändert sich die Signalstärke durch Verrutschen oder durch Muskelanspannung,  könnte dies zu Fehlmessungen führen. Genau diese Veränderungen registriert der Empa-Sensor – und dementsprechend können die Messwerte korrigiert werden. Die Faser ist elektrisch leitend, erkennt eine Verschiebung oder Druckveränderung, wandelt sie in ein elektrisches Signal um und leitet dieses an das Messgerät weiter. Damit gelingt es, die Messgenauigkeit der «Blutdruck-Uhr» um mehr als 70 Prozent zu steigern. «Vor vier Jahren haben wir den ersten Prototypen hergestellt», so Doktor Frank Clemens von der Empa-Abteilung «Hochleistungskeramik». Mittlerweilen haben entsprechende Tests die Funktionsfähigkeit der Sensoren bestätigt. Die Empa arbeitet nun mit Hochdruck daran, den Piezo-Sensor so in das Gerät zu integrieren, dass es nicht nur optisch ansprechender wird, er sollte sich auch einfach und ohne viel Aufwand einbauen lassen. Etwa durch Einkleben, Einlaminieren oder Einweben.

Der Markt für ein solches Gerät ist immens. Kardiovaskuläre Krankheiten gelten als die häufigste Todesursache weltweit. Mehr als eine Milliarde Menschen müssten täglich ihren Blutdruck messen, um mögliche Folgen ihrer Hypertonie zu vermeiden. Jährlich werden daher etwa 60 bis 70 Millionen Messgeräte verkauft, die jedoch keine kontinuierliche Messung erlauben. Eine permanente Messung könnte dagegen zusätzliche Sicherheiten bieten; gerade bei der Möglichkeit eines bevorstehenden Herz- oder Hirninfarkts könnte das System rechtzeitig Alarmsignale geben. Denn: Einem Herzinfarkt wie auch einem Hirnschlag geht eine erhöhte Stosswelle voraus, die das System erfasst und auswertet. Damit wären Notfallmassnahmen möglich, bevor Schlimmeres passiert. Um die Treffsicherheit bei solchen Ereignissen stetig zu verbessern sind weitere Testserien an Menschen geplant.

Die permanente Messung bietet aber noch weitere Vorteile, wie Professor Thomas Lüscher, Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Zürich und Mitgründer der STBL, erklärt: «Damit haben wir die Möglichkeit, den Blutdruck im natürlichen Umfeld der Patienten zu erfassen. Der Patient wird in seiner Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt.» Der «Weisskittelhochdruck», also die Nervosität des Patienten beim Arzt, die Messungen verfälschen kann, fällt bei der neuen Methode weg.

Zurzeit laufen klinische Tests. Bereits wurden erste Messungen parallel  zu einem Eingriff – mit viel versprechenden Ergebnissen - durchgeführt. Das Produkt soll vorerst in zwei Varianten ausgeliefert werden: ein medizinisches Überwachungsgerät und eine «abgespeckte» Variante als Freizeitgerät für Sportler oder Jedermann.  «Der Sensor wird günstiger sein als die bisherigen 24-Stunden-Messgeräte, wie sie zurzeit in Spitälern verwendet werden», bestätigt Tschudin. Solche Geräte kosten bis zu 6‘000 Franken, die «Blutdruck-Uhr» rund zehnmal weniger.

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