«Gerade Jungunternehmen sind von der Stempelsteuer betroffen»

Please login or
register

Fabienne Roos

21.01.2022
Judith Bellaiche

Am 13. Februar 2022 können die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital entscheiden. Diese Abgabe ist ein Teil der sogenannten Stempelabgaben – im Volksmund auch Stempelsteuer genannt. Im Interview führt Nationalrätin und Swico-Geschäftsführerin Judith Bellaiche (GLP) aus, weshalb insbesondere Startups von dieser Abgabe betroffen sind und welche Signale die Abschaffung aussenden würde.

Frau Bellaiche, inwiefern sind Startups bisher von der Emissionsabgabe betroffen?

Jährlich müssen rund 2‘300 Unternehmen eine Emissionsabgabe an den Bund entrichten, wenn sie Eigenkapital aufnehmen. Davon sind 90 Prozent KMU und Startups.
Startups sind nur schon aufgrund ihrer Finanzierungsstrategie basierend auf Eigenkapital überdurchschnittlich stark von dieser Abgabe betroffen: Je nach Höhe einer Finanzierungsrunde wird die Abgabe bereits bei einer der ersten Runden fällig. Und danach bei jeder weiteren.

Würde eine Abschaffung dieser Emissionsabgabe bei Jungunternehmen überhaupt ins Gewicht fallen? Aktuell wird bei jeder Eigenkapitalerhöhung eine Abgabe in der Höhe von einem Prozent auf die Ausgabe und Erhöhung des Nennwerts fällig.

Startups sind sehr schlank aufgestellt und achten besonders auf ihre Liquidität. Jedes Prozent, das von ihrem verfügbaren Kapital weggenommen wird, geht auf Kosten von Personal und Investitionen. Weil gerade Scale-ups auf Wachstum angewiesen sind, tut deshalb jede Stelle, die nicht bezahlt werden kann, weh. Auch für Investoren ist diese Abgabe eine Hürde.

Weshalb?

Investoren möchten natürlich, dass das Risikokapital, das sie zur Verfügung stellen, umfassend in das Startup geht und nicht vorab als Steuern abfliesst. Doch die positiven Auswirkungen einer Abschaffung würde über die Investorensuche hinausgehen: Der Standortentscheid umfasst nämlich neben anderen Faktoren auch das Steuerumfeld. Die Emissionsabgabe sendet ein widersprüchliches Signal und könnte der entscheidende Faktor sein, den Firmensitz an den Ort des ausländischen Investors zu verlegen.

Sie haben einige Gespräche mit Startups geführt, um die tatsächliche Betroffenheit der Jungunternehmerinnen und -Unternehmer einzuschätzen. Welche Rückmeldungen haben sie erhalten?

Unsere Annahmen haben sich bestätigt: Da viele Startups regelmässig grosse Beträge an frischem Kapital benötigen, schmerzt dieses eine Prozent jeweils schon. Zudem können Jungunternehmen in dieser frühen Phase nicht auf eine Fremdkapitalfinanzierung – beispielsweise einen Bankkredit - ausweichen. Sie passen ja nicht in das klassische Kreditvergabemuster der Banken, weil sie noch keinen Gewinn generieren. Die Finanzierung über Eigenkapital wird wegen der Emissionsabgabe gegenüber der Fremdkapitalfinanzierung klar diskriminiert.

Das Referendumskomitee befürchtet, dass bei einer Abschaffung und den damit zusammenhängenden prognostizierten Mindereinnahmen von jährlich 250 Millionen Franken neue Steuern oder Abgaben entstehen könnten – auch für Jungunternehmen. Wie ordnen Sie diese Befürchtung ein?

Eine neue Steuer steht nicht auf der politischen Agenda. Diese 250 Millionen Franken bei einem Staatsbudget von 70 Milliarden Franken kommen einem Rundungsbetrag gleich. Und die Mindereinnahmen wird der Bund durch dynamische Effekte wieder gut machen, weil dieses Geld als produktives Kapital in den Unternehmen Wertschöpfung generiert.

Die ersten Umfrageergebnisse vom Meinungsforschungsinstitut gfs.bern zeigen, dass das Abstimmungsergebnis zu dieser Vorlage noch völlig offen ist. 49 Prozent der Befragten wollen die Emissionsabgabe beibehalten, 9 Prozent sind noch unschlüssig. Wie würden Sie diese definitiv von einem «Ja» überzeugen?

Die Gegner setzen emotionale Argumente ein, doch wir vom Ja-Komitee argumentieren mit Zahlen und Fakten, die statistisch belegt sind. Die Emissionsabgabe mag nicht die grösste Sorge der Startups sein, doch gerade weil die Hürden für Startups schon so zahlreich sind, wäre es wirkungsvoll, wenigstens diesen Stein aus dem Weg zu räumen.

0Comments

rss