«Ein klares Nein zur 99-Prozent Initiative ist wichtig»

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Fabienne Roos

18.08.2021
Symbolbild Abstimmung
In gut einem Monat stimmen die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die 99-Prozent Initiative ab. Wir haben uns mit Andri Silberschmidt, Nationalrat (FDP) und Mitgründer eines Gastro-Startups, über die Initiative und die möglichen Folgen für Startups und Business Angels bei einer Annahme unterhalten.

Herr Silberschmidt, wie schätzen Sie die Chancen der Initiative beim Stimmvolk ein?

Ich nehme einen grossen Widerstand gegen diese Initiative wahr, doch abgerechnet wird erst am Tag der Abstimmung. Man darf nicht vergessen, dass auch die Höhe der Ablehnung wichtig ist. Denn damit sendet das Stimmvolk ein klares Zeichen, dass es die Idee einer Kapitalgewinnsteuer nicht akzeptiert. Wir vom Gegenkomitee setzen alles daran, dass die Initiative deutlich abgelehnt wird.

Wo genau liegt das Problem für Startups, würde die Initiative angenommen werden?

Bei der Annahme der Initiative wird eine Kapitalgewinnsteuer eingeführt. Zur Einkommens- und Vermögenssteuer käme eine zusätzliche Steuerbelastung. Bei einem Verkauf der Firma beziehungsweise von Aktien werden per Stichtag die Kapitalgewinne berechnet und müssten versteuert werden - bei Startups in der Regel von Gründerinnen und Gründern sowie beteiligten Mitarbeitenden. Durch diese Steuer würde sowohl das bei der Startup-Gründung eingegangene Risiko als auch der Erfolg des Unternehmens bestraft werden.

Es wurde in den letzten Jahren viel für den Aufbau des Startup-Ökosystems gemacht. Und von den Startups kommen viele innovative Lösungen für die drängendsten Probleme unserer Zeit. Das macht den Zeitpunkt dieser Initiative umso unpassender.

Andri Silberschmidt
Andri Silberschmidt

Sie sind selber Mitgründer eines Startups. Hätten Sie sich bremsen lassen, hätte es zu dem Zeitpunkt eine Kapitalgewinnsteuer gegeben, wie von der Initiative gefordert?

Ich denke, HighTech-Startups würden nicht mehr zwingend in der Schweiz gründen, gäbe es eine Kapitalgewinnsteuer. Doch für Startups wie etwa unsere Gastrokette «kaisin.», die ihr Produkt vollständig in der Schweiz produzieren und verkaufen, wäre das kaum eine Option. Würde die Initiative angenommen, müssten Privatpersonen viel mehr Ressourcen in die Überlegungen investieren, wie sie steuertechnisch am besten eine Firma gründen könnten. Da geht viel Energie verloren und der Fokus liegt nicht mehr voll und ganz auf der Umsetzung der jeweiligen Geschäftsidee.

Nach Einreichung der Initiative wurde die Kritik laut, dass sie schädlich für KMU und Startups sei. Die Initiantinnen und Initianten, sprich die JUSO, haben reagiert und in Aussicht gestellt, dass für diese Unternehmen bei der Ausarbeitung des Gesetzes dann Ausnahmen vorgesehen werden können. Was halten Sie von diesem Versprechen?

Wenn man erste Ausnahmen gleich nach dem Einreichen nachreichen muss, ist das für mich ein klares Indiz dafür, dass die Initiative zu wenig durchdacht und damit schädlich ist.
Die JUSO zielt auf die Vermögen von Unternehmern ab, doch der grosse Teil davon sind gebundene Vermögenswerte. Sie fliessen als Investitionen direkt wieder in die Unternehmen. Eine Kapitalgewinnsteuer würde bloss Fehlanreize schaffen, ob bei der Nachfolgeregelung von KMU oder beim Exit eines Startups. Die ganze Sache würde sich extrem verkomplizieren – etwa dann, wenn sich die Gründer eines Startups für einen schrittweisen Earn-out entscheiden müssten.
Und dann ist da noch das Problem mit der Abgrenzung, wenn man Ausnahmeregelungen schaffen möchte: Wann ist ein Startup ein Startup und wann keines mehr?

Direkter zielt die Initiative auf Investoren und Business Angels, die aufgrund einer höheren Steuerbelastung mit weniger Investitionen in Startups reagieren könnten. Als wie einschneidend schätzen Sie diesen Effekt ein?

Bereits heute bezahlen alle, die Wertschriftenhandel gewerbsmässig betreiben, Einkommenssteuern. Für sie würde sich durch die Annahme dieser Initiative nur die Steuerhöhe verändern. Business Angels und Investoren hingegen würden es sich künftig zweimal mehr überlegen, ob und in welcher Höhe sie in ein Startup investieren würden. Sie müssten Geld auf die Seite legen für die Kapitalgewinnsteuer, anstatt diesen Betrag ebenfalls investieren zu können. Das kommt einem Angriff auf den Standort Schweiz gleich – die Auswirkungen gerade auch in diesem Zusammenhang werden wohl in verschiedenen Kreisen unterschätzt. Auch wenn die Zahl der Investoren und Business Angels klein sein mag, mit ihren Investments werden zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. Das Geld liegt ja bei den Reichen nicht einfach auf dem Konto, sondern wird produktiv in Unternehmen eingesetzt.

Mehr zu den Hintergründen der Initiative erfährt man in einem weiteren Artikel auf Startupticker.

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