„ICOs sind kein kurzfristiges Phänomen“

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Stefan Kyora

18.09.2017
André Wolke Validity Labs

Die Zahl der Initial Coin Offerings (ICOs) und der damit generierten Gelder steigt stark. André Wolke, Mitgründer und CEO von Validity Labs, erklärt, wer hinter dem Boom steckt, welche Gefahren bestehen, wie Schweizer Startups die Chance nutzen können und warum die Schweiz zu einem globalen Zentrum für ICOs werden könnte. 

Herr Wolke, was ist ein ICO?
ICOs oder auch Token Generation Events (TGEs)dienen zur Kapitalaufnahme von einer grossen Zahl von Investoren. Die Investoren erwerben dabei so genannte Tokens, welche eine Funktion oder einen Wert repräsentieren und die später auf dezentralisierten Secondary Märkten gehandelt werden können.

Was erhalten die Investoren genau, wenn sie Token kaufen?
Das ist oft nicht klar.

Wie bitte? Bei einem ICO werden dreistellige Millionenbeträge investiert, ohne klare Gegenleistung?
Das kommt vor. Nehmen Sie den ICO von EOS. Das war ein so genannter Fundraiser. Den Investoren, die Kryptowährung im Gegenwert von 185 Millionen Dollar kauften, wurden keine konkreten Gegenleistungen versprochen.

Was ist dann das Motiv der Anleger? Steigende Kurse der Token?
Was man in der Tat beobachten kann, sind sogenannte „Pump and Dump“ Aktionen, wo Anleger die Token für einen höheren Preis kurz nach dem ICO wieder verkaufen. Kontinuierlich steigende Kurse gab es bisher in der Regel nicht.

Wer sind die typischen Investoren bei ICOs?
Die Anleger, das sind Investoren, die früh in Kryptowährungen eingestiegen sind - die Bitcoiner dieser Welt. Junge Männer, die heute auf einem Millionenvermögen sitzen. Sie verteilen nun einen Teil ihrer Mittel per ICO um. Sie haben in der Regel eher einen technischen Hintergrund und verstehen kaum etwas vom Anlegen.

Wie lange wird dies noch weiter gehen?
Wir haben den Peak noch nicht gesehen. Ich denke wir sind erst am Fuss des Berges.

Trotzdem: sehr viel Geld, das in Token ohne klaren Gegenwert investiert wird, das riecht nach Crashgefahr.
Die besteht, aber erst, wenn es zu ICO Tourismus kommt und die Betrüger dieser Welt die vermeintliche Goldgrube entdecken. Diesen ICO Tourismus haben wir noch nicht gesehen.

Bedeutet dies, dass ICOs ein kurzfristiges Phänomen sind, das nach einem Crash wieder von der Bildfläche verschwinden wird?
Nein, das denke ich nicht. Schon jetzt sieht man, dass sich zunehmend Grossinvestoren und Family Offices für ICOs interessieren. Auf der anderen Seite gibt es einen Trend zu Asset-Backed-ICOs, bei denen man mit dem Token Anteile an realen Werten wie zum Beispiel Gold erwirbt. Diese könnten dann für professionelle Investoren interessant sein. ICOs haben alle Voraussetzungen, um Investitionen effizienter und verbreiteter zu machen. Was genau passieren wird, hängt allerdings ab von der Regulierung. ICOs können prinzipiell etwa die Investorenbasis verbreitern, wenn aber wie von der US-Börsenaufsicht SEC nur qualifizierte Anleger zugelassen werden, kann man dieses Potenzial natürlich nicht ausschöpfen.

Wie sieht es aktuell mit der Regulierung in der Schweiz aus?
Es gibt keine klare Regulierung und sehr viel Spielraum, wenn man den ICO richtig aufsetzt, so dass die Token nicht als Wertpapiere erscheinen. Deswegen gehört die Schweiz auch neben Liechtenstein, Gibraltar und Singapur zu den vier Orten, wo derzeit ICOs durchgeführt werden.

Unterdessen sind mehr als 500 Millionen Dollar durch ICOs generiert worden, die in der Schweiz abgewickelt wurden. Inwiefern profitiert die Schweiz real von diesen ICOs?
Häufig gar nicht. Es gibt aber auch positive Beispiele wie das Startup Melonport. Es hat ein ICO durchgeführt und dabei drei Millionen Franken eingenommen. Das Startup hat damit hier in Zug Arbeitsplätze geschaffen. Solche Startups können Experten in die Schweiz holen, die dazu beitragen, die Schweiz als Innovationshub voranzubringen.

Was müssen Startups beachten, wenn sie ebenfalls per ICO frische Mittel generieren wollen?
Jeder ICO besteht im Grunde aus vier Schritten. Erstens muss man die Kapitalaufnahme juristisch sauber strukturieren. Als Zweites folgt die technische Implementation. Drittens muss die Technik auditiert werden. Und viertens muss man sich per PR um Investoren kümmern.

Was bestehen für Risiken?
Die grössten Risiken bestehen auf der Security-Seite. Immer wieder werden Crypto-Währungen im Gegenwert von zweistelligen Franken-Millionenbeträgen gestohlen.

Wenn es aber einem Unternehmen gelingt, mit einem ICO Geld aufzunehmen, gibt es keine Gefahren mehr?
Nein. Natürlich kann sich die Regulierung ändern, aber diese Änderungen werden keine vermutlich rückwirkende Wirkung haben.

Apropos Risiken: Wie sieht es mit Reputationsgefahren für die Schweiz aus, wenn ICOs nicht reguliert werden?
Die bestehen in der Tat. Hier gibt es zum Beispiel nur drei bis vier grosse Anwaltskanzleien, die sich mit dem Thema auskennen. Es gibt alleine im September 2017 rund 200 ICOs. Schon das bringt Risiken. Sie werden noch grösser, wenn die Schweiz zum Zentrum des angesprochenen ICO-Tourismus wird. Es braucht deswegen mehr Regulation. Man muss die Spreu vom Weizen trennen.

Gibt es Bewegung in Sachen Regulation?
Ja. In den vergangenen Wochen haben mit Johann Schneider-Ammann und Ueli Maurer gleich zwei Bundesräte das Crypto-Valley hier in Zug besucht. Nun sollen Arbeitsgruppen gebildet werden auch mit Hilfe der Crypto Valley Association. Man ist im Dialog.

Dann stehen die Chancen gut, dass die Schweiz ihre führende Rolle bei ICOs nachhaltig verteidigen kann?
Absolut. Die Schweiz hat die Chance zum Center of Excellence für ICOs zu werden.
 

Zur Person
André Wolke ist CEO und Mitgründer von Validity Labs. Das Unternehmen bietet Weitebildungen und Trainings zu den Themen Smart Contracts und Blockchain. Das Angebot umfasst Workshops für Grossunternehmen zur Einführung in das Thema und zu Business Cases in bestimmten Branchen, aber etwa auch „Hackathons as a Service“, in denen die Entwickler der Kunden in zehn Tagen Minimal Viable Products MVPs entwickeln. Zudem arbeitet Validity Labs mit Hochschulen zusammen, um spezifische Kurse zu lancieren. Ein Beispiel der CAS Blockchain der Hochschule Luzern. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Security Audits für Smart Contracts an und promotet die Notwendigkeit von Best Practises und Standards. 

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