„In der Schweiz mangelt es noch an Expansionswillen und mutigen Investoren“

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27.10.2014

Anfang November wird in Luzern der Swiss ICT Award vergeben. Im Vorfeld sprach Startupticker mit dem Swiss ICT Präsidenten Thomas Flatt über den Preis, den Stellenwert der Startups in der Schweizer IT-Branche und den Nutzen des Networkings.

Startupticker.ch: Herr Flatt, die Schweizer IT-Branche ist nach wie vor von Dienstleistern und den IT-Organisationen von Grossunternehmen geprägt. Gibt es dennoch Veränderungen in der Branche oder sind die Verhältnisse stabil?
Thomas Flatt: Grundsätzliche stimmt die Aussage, dass die Branche von Grossunternehmen und Dienstleistern dominiert wird. Die grössten Schweizer IT-Organisationen sind immer noch Teile von Banken und Versicherungen. Danebenkonnten sich eine grosse Anzahl von KMU im Rahmen der Entwicklung von IT zum Kernelement der Wertschöpfung als Dienstleister etablieren. Aber hier gibt es natürlich durchaus tiefgreifende Veränderungen. Die Dienstleister wandeln sich zunehmend, um langfristig ihre Zukunft sichern zu können. Zum Beispiel werden aus reinen Auftragsentwicklern Outsourcingpartner, die ganze Themen für ihre Kunden abdecken. Oder sie beginnen Produkte zu entwickeln. Ein gutes Beispiel dafür ist Avaloq.

Apropos gute Beispiele. Wie sieht es mit Internet-Unternehmen oder Firmen mit neuen Geschäftsmodellen aus? Diese werden ja in der Schweiz häufig vermisst.
Die gibt es durchaus. Zu ihnen gehört etwa die Basler Content Management Firma Day, die vor einigen Jahren von Adobe für 240 Millionen Dollar gekauft wurde. In Basel arbeiten heute immer noch rund 70 Mitarbeiter in einem Entwicklungszentrum für Adobe. Sehr erfolgreiche Internetfirmen fehlen aber in der Tat. Meiner Meinung nach mangelt es noch an Expansionswillen bei den Firmen und an mutigen Investoren, die die notwendigen Geldmittel zur Verfügung stellen.

Dies im Gegensatz zu US Startups.
Genau. Uber zum Beispiel gibt sehr viel Geld aus für die Akquisition von Kunden und Fahrern für ihre Taxi-App. Die Strategie ist klar: Man will einzelne Regionen besetzen und so eine hohe Markteintrittshürde schaffen. Eine solche Strategie sieht man in der Schweiz selten.

Der Grund dürfte sein, dass man als Schweizer Startup keine Investoren findet, die eine aggressive Expansion finanzieren.
Es hat meiner Meinung nach auch mit der Geisteshaltung der Unternehmer zu tun. Sie müssen bereit sein, einen Teil des Unternehmens an Investoren abzugeben, wenn sie wirklich schnell wachsen wollen.

Aber gibt es hier nicht zumindest eine Entwicklung in die richtige Richtung? Die Zahl der ambitionierten IT-Startups nimmt in der Schweiz doch zu.
Ich möchte auch keineswegs alles negativ darstellen. Ich sehe durchaus Startups, die beim Marketing sehr viel Gas geben. Zu ihnen gehört etwa Sharoo, das aus der Migros entstandene Peer-to-Peer Carsharing-Unternehmen, oder auch parku. Die Macher der Parkplatzapp haben gerade bekannt gegeben, dass sie nach der Schweiz und Deutschland weitere europäische Länder erobern wollen.

International erfolgreiche Firmengründer findet man auch im Vorstand von Swiss ICT. Mit Dominik Grolimund, Luc Haldiman und Alexander Büch sind gleich drei Vorstandsmitglieder ehemalige Jungunternehmer. Wie sieht es sonst mit Startups unter den Mitgliedern ihres Verbandes aus?
Grundsätzlich sind in unserem Verband IT-Organisationen und IT-Firmen Mitglied, die in der Schweiz zur IT-Wertschöpfung beitragen. Jungunternehmen sind noch etwas zu wenige darunter.

Was kann Swiss ICT Jungunternehmen bieten?
In erster Linie Zugang zu sehr vielen etablierten Playern in der Branche. Bei uns kann man sehr gut Kontakte zu grossen IT-Organisationen und zu bestandenen KMU knüpfen. Zudem bieten wir zahlreiche Veranstaltungen und Weiterbildungen an. Sehr gefragt sind dabei schon seit längerem Themen wie Agile, Scrum oder Lean Development. Dann können unsere Mitglieder an der Verleihung des Swiss ICT Award teilnehmen.

Die Verleihung des Awards wird dieses Jahr am 5. November über die Bühne gehen. Der Anlass mit 700 bis 800 Teilnehmern geniesst eine hohe Wertschätzung in der Szene. Warum eigentlich?
In der Tat wird der Event als wertvoll beurteilt. Ein wichtiger Grund dafür dürfte sein, dass er kein purer Fachanlass ist, sondern dass er einen weiteren Fokus hat. Keynote Referent ist dieses Jahr zum Beispiel SBB CEO Andreas Meyer.

 

 

 

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