Schweizer E-Bike Flyer: Vom Emmental nach Deutschland

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Claus Niedermann

28.07.2017

Die Biketec AG im bernischen Huttwil wurde von der deutschen Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft ZEG übernommen. Damit endet die Zeit der Tüftler und Pioniere, die mit der Erfindung des Flyers vor mehr als 20 Jahren begann.

„Der Flyer wird deutsch“, titelten die  grössten Schweizer Tageszeitungen  diese Woche. Dabei ist das E-Bike Flyer eines der vielzitierten Beispiele für Schweizer Erfindergeist und Innovationskraft. Wenn es nach dem deutschen Zweirad-Verbund geht, soll sich dies auch nicht ändern. Die Produktion bleibt in Huttwil, die 200 Arbeitsplätze seien nicht gefährdet. Im Gegenteil: Biketec soll vom grossen Vertriebsnetzt der ZEG profitieren. Allein in Deutschland hat die Genossenschaft 670 Händler und verfügt in den Benelux-Ländern, in Frankreich, Polen und Österreich über eine starke Marktpräsenz.

Trotzdem: Mit dem Verkauf an die Deutsche ZEG geht eine Ära zu Ende – die Zeit der E-Bike-Tüftler und Pioniere. Geboren wurde die Idee für den Flyer im Emmental vom Philippe Kohlbrunner. Der technische Kaufmann, so wird erzählt, wohnte auf einem Hügel in Oberburg im Emmental. Rund 300 Höhenmeter musste mit seinem Velo bewältigen. Eine Unterstützung beim Strampeln fehlte. Damit war die Idee geboren. Zusammen mit seinem Arbeitskollegen Reto Böhlen baute er das erste Hybrid-Fahrrad. Das war exakt vor 24 Jahren. Böhlen und Kohlbrunner sowie ein weiterer Partner gründeten die Firma BK Tec (BK = Böhlen und Kohlbrunner) und brachten 1995 die ersten Flyer auf den Markt. Schon bald beschäftigten sie 28 Mitarbeiter. 1996 erhielten sie den mit 100‘000 Franken dotierten W.A. de Vigier Award. Ein Jahr später wurde die Jungfirma von der Kommission für Technologie und Innovation KTI mit dem Start-up-Label ausgezeichnet.

Im Krisenjahr 2001kam das Ende. Innovator Kohlbrunner musste die Bilanz hinterlegen, denn die Investoren, darunter Swatch Miterfinder Ernst Thomke und Andreas Rihs, hatten sich geweigert, weiteres Kapital ins Unternehmen zu schiessen. Jetzt trat ein Mann mit Namen Kurt Schär in Aktion. Er machte aus dem damaligen Scherbenhaufen die heutige Biketec. Dafür arbeitete er eng mit Tourismusverbänden zusammen und knüpfte ein Netz aus Verleih- und Ladestationen. So konnten Feriengäste die E-Bikes testen, denn Schär wusste: „Das E-Bike-Gefühl muss man erleben, das kann man nicht erklären.“

Nach der Eröffnung der neugebauten Produktionshalle im bernischen Huttwil ging es dann schnell aufwärts. Jedes Jahr wurden mehr Flyer produziert. Waren es zu Beginn ein paar Tausend, so verzehnfachte sich der Ausstoss pro Jahr auf über 50‘000 Stück und der Umsatz überstieg 100 Millionen Franken. 2012 übernahm die Zürcher EGS Beteiligungen AG, eine Tochterfirma der gemeinnützen Ernst-Göhner-Stiftung, die Mehrheit der Aktien. Auf der Führungsetage von Biketec kam es dann zu immer neuen Veränderungen. Zuerst zog sich Schär als CEO zurück, dann auch als Verwaltungsratspräsident. Neuer CEO wurde Simon Lehmann. Dieser trat bereits nach zwei Jahren wieder zurück. CEO von Biketec ist jetzt Andreas Kessler, ehemaliger Verkaufschef bei Mammut Sports Group. Sein Kommentar zum Verkauf an die deutsche Genossenschaft: „Die ZEG wird uns als neuer strategischer Eigentümer sowohl bezüglich des Marktzugangs wie auch im Einkauf Vorteile verschaffen, die in der bisherigen Konstellation nicht erreichbar waren.»

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